„Was für ein Glück, Tenor zu sein!“
Gespräch mit Mehrzad Montazeri„Die Liebe zu den drei Orangen“ oder
„Was für ein Glück, Tenor zu sein!“
Aus der Opernzeitschrift "Der neue Merker" Nr. 02/1010 , mit Frau Charlotte Pohl
Wir waren im Café Weimar zum Interview verabredet: Anders gesagt, ich traf einen Perser und trug einen Persianer(Mantel). Und dieses Bonmot stammt von Herrn Montazeri.Ein guter Anfang für ein gutes Gespräch an einem Ort, an dem – scheint mir - mehr
Opernmenschen als so genannte normale Gäste zu finden sind.
Das Gespräch begann damit, das Herr Montazeri auf meine Frage nach Herkunft, Jugend und seinen musikalischen Wurzeln mir einen kurzen Abriss seiner Vita schilderte.
MM wurde in Teheran geboren, und kam mit seinen Eltern 1977 in die Musikstadt Salzburg. Das war Glück. Er wuchs in einer großbürgerlichen, liberalen und sehr musikliebenden Familie auf. Sein Künstlerleben begann damit, dass er als Kind als Statist in der von Karajan dirigierten „Aida“ auftreten durfte. Glückskind.
Weitere Stationen im musikalischen Leben sind:
in den Sommerferien zwischen 15 und 18 Jahren Singen im Chor und kleine Solistenrollen auf Tourneen; nach der Matura Schubertkonservatorium Wien, Musikhochschule Wien der Stimmbildung wegen, Konservatorium der Stadt Wien, Opernstudium bei Kammersänger Waldemar Kmentt. Die Opernklasse hat MM mit Auszeichnung abgeschlossen.
MM ist Preisträger einiger Wettbewerbe und eines Stipendiums der Bayreuther Festspiele. Das war 1998.
MM ist seit vier Jahren in Wien und an der Volksoper Ensemblemitglied. In dieser Zeit hatte er mit etwa 13 Rollendebuts großen Erfolg. Darunter waren z.B. der Lyonel in „Martha“, der Don José in „Carmen“, der Alfred Germont in „La Traviata“ und einer der umwerfend komischen Tenöre in „Operetts“.
Der „Merker“ hat in dieser Zeit die Auftritte von MM durchwegs als ausgezeichnet kommentiert.
Herr Montazeri, wo waren Sie zwischen Ihrem Studium und Ihrem Engagement an der Wiener Volksoper?
Ich war 10 Jahre in Deutschland. Bevor ich „auswanderte“, war ich unter anderem an den Bühnen der Stadt Wien im „Phantom der Oper“ in 34 Vorstellungen engagiert. Außerdem war ich als Swinger an ein paar Häusern engagiert. So etwas würde ich heute nicht mehr machen.
Anm.d. Redaktion: Die fixen Engagements in Deutschland waren an den Bühnen der Stadt Ulm, den Bühnen der Stadt Freiburg, dem Hessischem Staatstheater-Wiesbaden und den Vereinigten Bühnen Krefeld und Mönchengladbach.
So nebenbei hatte MM gezählte 13 Gast-Engagements in Deutschland, einige in Frankreich, Österreich und Italien. Es müssen arbeitsreiche Jahre gewesen sein.
Über MM’s weitere Auftritte in Deutschland, kann man sich unter www.montazeri.at informieren.
Herr Montazeri, empfinden Sie sich als lyrischen Tenor?
Mein Repertoire umfasst Partien von Mozart bis Wagner, also vom lyrischen bis
Spinto-Tenor. Es ist schon so, dass die Stimme im Laufe der Zeit etwas dünkler wird.
Manche Partien würde ich heute nicht mehr singen.
Nachdem Sie von Ihrer erfolgreichen Tournee in Japan zurückgekommen sind,
was haben Sie nun vor?
Heute habe ich noch Probe für das „Land des Lächelns“ (in einer Stunde). Im Jänner stehen noch Vorstellungen von „Land des Lächelns“ und „La Bohème“ auf dem Programm.
Im Februar stehe als Rodolfo, am 3. und 6., und als Sou Chong am 13. auf der Bühne. Im März bin ich als Don José am 6., 20., und 26. zu hören und sehen.
Der 17. 4. 2010 ist ein wichtiger Termin für mich. „Die Liebe zu den drei Orangen“ hat Premiere und ich spiele den Prinzen. Der Prinz ist ein Hypochonder. Daraus ergeben sich bizarre und witzige Situationen.
Sie haben mit Erfolg an vielen großen Opernhäusern in Deutschland, in Frankreich und Italien gesungen, haben Tourneen und Konzertreisen in Europa, den USA und Japan absolviert: Warum hatten Sie noch nie ein Debut an der Wiener Staatsoper? An Ihrer Gesangskunst kann es ja nicht liegen.
Ich bin erst seit vier Jahren in Österreich. Ich bin hier noch nicht so bekannt.
Es könnte auch an den Agenturen liegen. Ich hatte die ersten zwei Jahre in Wien einen Agenten. Der hat allerdings nichts für mich getan, so habe ich mich von ihm getrennt. Seither habe ich keinen Agenten mehr, das geht auch. Ich würde es aber vorziehen, mich nur um die Musik zu kümmern, und nicht auch noch mit der geschäftlichen Seite meines Berufes beschäftigen zu müssen.
Es ist auch so, dass man nicht einfach in die Staatsoper gehen und seinen Wunsch, dort zu singen, vorbringen kann. Das ist für einen Sänger unmöglich, man muss gerufen werden. Es ist Sache des Agenten/der Agentin, einen Sänger vorzuschlagen und einen Termin zu vereinbaren.
Dann wünschen wir Ihnen in der Agentenfrage alles Gute und viel Glück!
Frage der Redaktion an die Merker-Leser: Könnte es sein, dass ein Direktor oder Vertreter prominenter Agenturen gelegentlich, oder auch regelmäßig, den „Merker“ lesen??? Und beim Lesen dieses Interviews die eine oder andere gute Idee haben?
Sie sind schon seit vielen Jahren Sänger. Haben Sie Lampenfieber?
Am Tag der Vorstellung sorge ich für Ruhe im Alltag, ich übe nicht, gehe aber die Rolle im Kopf durch, konzentriere mich, und sammle meine Energie für den Auftritt.
Kurz davor befällt mich so etwas wie Aufregung. Bin ich auf der Bühne, so muss ich mich auf meine Rolle konzentrieren. Es bleibt mir keine Zeit für Lampenfieber; schließlich muss ich mich ja auch um das Geschehen auf der Bühne insgesamt kümmern, um darauf reagieren zu können. Es ist vergleichsweise mit der Konzentration so wie beim Autofahren. Wenn ich fahre, muss ich ja auch auf den Verkehr links und rechts, auf Entgegenkommende, Überholende, usw.achten. Ja, das können Sie so schreiben. Eine gewisse Anspannung gehört zum Beruf, so wie der Applaus. Der Applaus an sich verursacht in mir auch kein Lampenfieber, eher große Freude.
Gibt es eine Partie, die Sie gerne singen möchten?
Oh ja, den Othello. Ich habe ihn schon in Deutschland probeweise konzertant gesungen. Es war ein Erfolg. In Österreich möchte ich mir mit der Gestaltung dieser Partie noch etwas Zeit lassen. Für den Othello braucht man eine gewisse Reife.
Spielen Farben für Sie eine Rolle?
Ja, Gelb, ich bin die gelbe Farbe, wenn ich singe und was immer ich auch singe. Gelb ist das Glück. Singen zu können und zu dürfen, ist Glück. Blau ist für mich die Liebe, nicht das Rot; das interpretiere ich anders.
Anm.: Über Grün haben wir nicht gesprochen, auch nicht über das restliche Farbspektrum.
Folgenden Ausspruch fand ich noch bemerkenswert:
„Ich habe ein photographisches Gedächtnis, ich sehe ein Notenblatt vor mir und kann es umblättern. Das kann sehr hilfreich sein“.
Wer kann das noch von sich behaupten?
Montazeri ist davon überzeugt, ein Glückskind zu sein. Vielleicht gehört zum Glück auch, über Vielseitigkeit und Disziplin zu verfügen, die Musik zu lieben und interpretieren zu können.
Das war das Ende des Gespräches, denn Herr Montazeri musste zur Probe in die Volksoper, die – glücklicherweise - fast um die Ecke liegt.
Charlotte Pohl